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„Erpressung“ am Arbeitsplatz

Frau K ruft mich an und berichtet, sie arbeite seit 8 Jahren in einem Belegkrankenhaus. Sie sei mit einem Arbeitsvertrag von 15 Stunden eingestellt worden, müsse aber regelmäßig Überstunden ableisten, die sie dann vergütet bekomme.  Sie habe regelmäßig nachgefragt, ob man ihren Vertrag stundenweise aufstocken könne, dass sei ihr immer abschlägig beschieden worden. Bei ihrer Einstellung sei sie gefragt worden, ob sie aushilfsweise zu Nachtdiensten bereit sei. Dazu habe sie sich bereit erklärt. Es habe sich eine Regelmäßigkeit von 3 Nachtdiensten im Monat entwickelt. In Urlaubsspitzenzeiten habe sie bis zu 8 Nachtdiensten abgeleistet. Zunächst sei ihr diese Regelung entgegengekommen, weil sie auf die Zusatzvergütung finanziell angewiesen sei. In den letzten zwei Jahren habe sie einen Diabetis entwickelt, ihre Tablettendosis steige kontinuierlich. Ihr Arzt habe ihr dringend empfohlen von den Nachtdiensten Abstand zu nehmen, weil die unregelmäßige Lebensführung den Diabetis begünstigen würde. Frau K habe daraufhin ihren Arbeitgeber angesprochen. Dieser habe aus ihrer Sich völlig verständnislos reagiert und sie darauf hingewiesen, dass sie mit der Maßgabe eingestellt wurde, dass sie bei Bedarf Nachtdienste leiste. Im Anschluss habe er ihr damit gedroht, dass sie ihre Überstunden in Zukunft nicht mehr vergütete bekomme sondern abbummeln müsse. Das setzte sie finanziell unter einen enormen Druck, weshalb sie sich alleine nicht mehr zu helfen wisse. Sie fühle sich auch den anderen Kollegen gegenüber ungerecht behandelt, da diese nicht zu den Nachtdiensten herangezogen würden.

Zunächst reden wir über die mögliche Konsequenz meiner Einschaltung, die möglicherweise eine weiteren Verschlechterung des Arbeitsklimas bringen könnte. Frau K will dieses Risiko eingehen, da die aktuelle Situation für sie unerträglich sei. Eine mögliche Kompromisslösung für sie wäre die Begrenzung der Dienste auf höchstens 3 im Monat.

Ich telefoniere mit dem Personalchef der Firma, Herrn F, der meinem Verfahren gegenüber sehr aufgeschlossen ist und der von Anfang an betont, er finde das Einschalten einer neutralen Person in dieser Sache sehr hilfreich. Zunächst hört er sich die Sicht von Frau K an. Im Nachhinein tue es ihm leid, dass er so verständnislos reagiert habe. Die Nachtschichtbesetzung sei ein echtes Problem für ihn. Zu wenige Mitarbeiter seien freiwillig bereit, außer der Reihe Dienst zu leisten. Der zusätzliche Ausfall von Frau K würde das Problem verschärfen, da sie nur eine kleine Klinik mit einer geringen Personaldecke seien und viele Mitarbeiter wegen kleiner Kinder von vornherein für die Dienste nicht in Betracht kämen. Ich verweise Herrn F auf die Aussage von Frau K, dass einige jüngere, ungebundene Kolleginnen nicht zu den Diensten herangezogen würden. Herr F bestätigt dies und teilt mir mit, als Reaktion auf das Gespräch mit Frau K hätte er ein Mitarbeiterschreiben formuliert, dass alle Mitarbeiter darauf hinweist, dass sie im Notfall für Nachtdienste zur Verfügung stehen müsste und das nur eine Ausnahmeregelung für Mitarbeiter mit Kindern unter 12 Jahren gemacht werde. Diese Schreiben solle allen Mitarbeitern noch in dieser Woche zugestellt werden. Bezüglich des Vorwurfes, er habe Frau K insoweit unter Druck gesetzt, dass er Überstunden nicht mehr vergüten werde, rechtfertigt er sich damit, dass ohne Nachdienste für Frau K kaum noch Überstunden anfallen würden. Er habe sie nur darauf hinweisen wollen, dass dann ein Teil ihres Gehaltes wegfallen würde, weil er ja wisse, dass sie auf die Zusatzvergütung angewiesen sei. Ich schlage vor an dieser Stelle das Gespräch zu unterbrechen um mit Frau K Rücksprache zu halten. F ist damit einverstanden.

Ich schildere Frau K das Gespräch mit F. Diese ist sehr erleichtert, dass F so positiv reagiert hat. Sie findet es gut, dass jetzt auch die anderen Mitarbeiter zu den Diensten herangezogen werden sollen, dann habe sie weniger das Gefühl, es laste alles auf ihren Schultern. Nachgefragt, ob sie sich vielleicht zu Unrecht von F unter Druck gesetzt gefühlt habe, räumt sie ein, seine Begründung sei nachvollziehbar. Wenn sie keine Nachtdienste mehr ableisten würde, würden sich auch keine Überstunden mehr ansammeln. Sie habe in der Situation wahrscheinlich überreagiert. Sie habe in Bezug auf ihren Arbeitgeber jetzt wieder in viel besseres Gefühl, worüber sie extrem erleichtert sei. Sie bekräftigt nochmal ihren Vorschlag mit der Höchstbegrenzung auf 3 Nachtdiensten im Monat.

Ich telefoniere wieder mit Herrn F. Dieser ist sofort bereit, Frau K eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertag auszustellen, die die Zahl der Nachtdienste im Monat auf 3 begrenzt. Er sei froh, dass Frau K sich dazu bereit erkläre, da es die Situation in der Klinik erleichtere. Frau K solle nicht befürchten, dass er ihr diese Angelegenheit nachtragen werde.

Frau K ist froh über den Ausgang des Konfliktes. Sie hatte sich gedanklich schon von dem Arbeitgeber verabschiedet und im Stellenmarkt nach einer neuen Arbeitsstelle gesucht. Nun könne sie sich vorstellen, in dem Krankenhaus zu verbleiben.

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